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Unser Schlösschen - Wahrzeichen des gleichnamigen Ortes

Conny erzählt:

Liebe Leserinnen und Leser,

ich, das Schlossgespenst,  möchte Ihnen gern von meinem Schlösschen erzählen:

 

Als ich damals im 16. Jahrhundert lebte, trug ich den weit in Sachsen bekannten Namen Cornelius von Rüxleben. Mein Leben sollte genauso wechselvoll verlaufen wie die Geschichte des ehemals herrschaftlichen Schlösschens.

 

Ich wurde 1525 als niederer Adeliger geboren und später schnell Günstling unseres sächsischen Kurfürsten August. Er bestellte mich ab 1554 zum Jägermeister von Zschopau und ab 1559 auch des „gebirgischen Kreises“. 1 Ich lebte seitdem in Zschopau und heiratete 1555 meine Braut Martha (allerdings kann ich nicht mehr genau sagen, wie viele Kinder wir bekamen). 2

 

Um 1560 schenkte mir Kurfürst August auf der Höhe meiner Macht das „Das Forwergk Borssendorf“ bei Zschopau. Dies ist damit auch die Ersterwähnung des Vorwerks, welches jedoch schon länger bestanden haben muss. 3

 

Das Vorwerk Porschendorf war keine Dorfgemeinde, vielmehr nur das Vorwerk selbst und dazu gehörige Häuser. Wohl 500 Menschen lebten hier als fleißige Handarbeiter und Strumpfwirker. Um 1825 schrieb man im Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen: „…Das Gut hat bedeutende Wirtschaft, eine sehr veredelte Schäferei, große und meist gefällige Gebäude (eines der beiden Wohnhäuser ist mit einem Thurme und einer Schlaguhr versehn) und im erwähnten Grunde 6 Teiche, davon der oberste nicht ohne Bedeutung ist. Nördlich steht auch, nahe am Gute, eine kleine Ziegelei….“ 4

 

Eine erste genaue Angabe über den immensen Umfang meines Vorwerks stammt aus dem Jahr 1738:

 

  • ein aus Feldsteinen errichtetes, schiefergedecktes „Schlößchen“ als Wohnhaus:

Das EG aus Stein, das OG und DG als Mansardgeschosse; besonderes Schmuckstück bildet der achteckige Turm mit Welscher Haube, Uhr und Glocke. Innen mit Stuben, Küche, Speisegewölbe, Vorratskammern und mehreren Kammern über die drei Etagen verteilt und im Untergeschoss mit zwei Kellern und einem Kerker.

Vor dem Gebäude befand sich der Pranger! Offensichtlich wurde hier also Gericht gehalten. Allerdings muss man sich den Kerker als dunkles, nasses und fensterloses Gewölbe vorstellen, denn seit ewigen Zeiten durchfließt das Schlößchen eine ergiebige Trinkwasserquelle. Die an den Außenmauern vorgesehen Wasserrinnen zeugen von der Ursprünglichkeit des Baches mit Überlauf in den ersten Teich.

  • ein 26 m langes Nebengebäude mit ebenerdigem Pferde- und Ochsenstall, Schurkammer und Durchfahrt und großen Sälen, zwei Stuben und Kammern im Obergeschoss.

  • ein 35 m langer Kuh- und Kälberstall mit Gesindestuben

  • eine ebenso lange Scheune mit Spreuschuppen, Gaststall und Tennen

  • ein anschließender 15 m langer Schafstall mit Wagenschuppen

  • in Hofmitte ein Taubenhaus 6 m lang und 4,5 m breit: mit Badestube und Schirrkammer im EG und 2 Kammern im OG. Dazu Uhrwerk und Glöckchen, darüber das Taubenhaus selbst.

  • ein Milchhaus und

  • ein Fischhaus.

  • zwischen den Gebäuden ergänzt von steinernen, schindelgedeckten Mauern mit großen Durchfahrten, die das Vorwerk damit komplett schlossen. 5

 

Das im Kellergewölbe des Schlösschens gesammelte Wasser durchfloss das sich nördlich anschließende Fischhaus, flutete da die Hälterbottiche zum Entschlammen der Fischfänge und strömte anschließend in den Verbund aus (ehemals) 6 Teichen in Richtung Zschopau.

Mein Einfluss vergrößerte sich weiter, 1567 wurde ich gar Landjägermeister 6 und nicht zuletzt wegen diverser privater Vorteilsnahmen im Amt wurde ich Zielscheibe allerlei Neids und Missgunst. Sie bildeten die Basis von Fakenews – ja, das gab es damals auch schon!: Neider trugen sie an den Königshof von August und ich war geliefert! 1576 wurde ich verhaftet und bis an mein klägliches Lebensende im Dezember 1590 in der Festung Pleißenburg zu Leipzig unter Arrest gehalten. (Bereits 4 Jahre vor mir starb übrigens der Kurfürst August.) 7

 

Nun ja, meine Söhne August und Cornelius erhielten gegen 1594 mein Vorwerk zurück. Allerdings mussten sie es aus Geldnot im März 1621 an die Stadt Zschopau verkaufen. 8

Und dann nahm das rege Wechseln der Eigentümer seinen Lauf! Die nächsten 140 Jahre besaßen viele verschiedene Pächter / Eigentümer das „Forwergk Porschendorf oder so genanntes Schlößgen“ 9. Ruhe kehrte erst mit dem Verkauf des Gutes um 1790 an Carl Gottlieb Philipp ein. 10 Fortan blieb es im Eigentum dieser Familie, wenn auch weiterhin unter ständig wechselnden Familienmitgliedern der Familien Philipp und Kämpfe. 11

 

Im 18. Jahrhundert wurde das Gut um das dreigeschossige Herrenhaus ergänzt. Es diente seitdem als Wohnsitz und führte zur Umnutzung des Schlösschens (Turmhaus) als Wirtschaftsgebäude. 12 Um diese Zeit entstanden auch die Häusleranwesen unweit des Vorwerks, das heutige „Hinterschlößchen“ bildend, da mit der Zeit die gesamte Ortslage Porschendorf den „Spitzname“ des Turmhauses als Ortsname übernahm. Ab 1939 wurde der gesamte Ort nur noch Schlößchen genannt.

 

Im August des Jahres 1826 ereignete sich ein schweres Gewitter, in dessen Folge ein beträchtlicher Teil der Gebäude ein Raub der Flammen wurde. Was für ein immenser Schaden an Immobilien und Mobiliar! Der Wiederaufbau dauerte ganze 3 Jahre. 13

Der letzte Privateigentümer des Gesamtgutes war nun Familienspross Karl Franz Anton Philipp. Er übernahm das Gut um 1926, hielt und bewirtschaftete es bis zur Enteignung im Oktober 1945. 14

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Mein schönes Vorwerk inklusive Ackerland, Wiesen, Teichen und Wäldern wurde nun an vierzehn Neubauern aufgeteilt. Auf Befehl der sowjetischen Militäradministration wurden vor allem 1947 einige Gebäude abgerissen. So fielen das Fischhaus, ein Stallgebäude, die Tor- und Ziegelscheunen und später auch noch das Herrenhaus.

Das als „Schlösschen“ bezeichnete Turmhaus blieb nur stehen, weil man die im Erdgeschoss befindliche Stellmacherei nach dem Krieg noch benötigte. 15

 

Nun blieb mein Schlösschen zwar erhalten, war aber zum Zeitpunkt völlig marode und einsturzgefährdet und benötigte neben einer Sanierung auch dringend eine neue Verwendung. Sie kam mit der Einrichtung eines Dorfkindergartens und zweier Wohnungen.

Von 1958 – 1960 dauerte der Umbau 16. Ich beobachtete, wie die Renaissanceportale neu versetzt wurden und der Turm eine neue Wendeltreppe bekam. Über diese gelangte man nun zu den beiden Wohnungen im Mansardgeschoss. Der Kindergarten und Hort beherbergte über 37 Jahre die Schlössler Kinder, ehe er 1997 schließen musste – im sog. „Geburtenknick“ der Nachwendezeit.

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Während die Wohnungen weitervermietet waren, stand nun das Erdgeschoss wieder leer. 1999 bot man die Räume dem örtlichen Kulturverein an, der sie seitdem rege für seine vielfältigen Veranstaltungen nutzte. Ich lauschte bei Buchlesungen und Diavorträgen, vergnügte mich bei Sommer-, Scheunen-, Geburtstags- und Rittergutsfesten und sang mit bei Hutzennachmittagen.

Das war ebenfalls eine schöne Zeit rund um mein Schlösschen!

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2004 zogen Wolken ums Schlösschen auf, denn die Gemeindeverwaltung wollte es verkaufen und ich wäre damit fast wieder „privatisiert“ worden!  

Proteste der Einwohner verhinderten den Verkauf und erklärten den Willen, das Schlösschen in kommunaler Hand zu halten. Allerdings gab es weder Nutzungsideen noch Fördergelder. Im Jahr 2005 gründete sich der Förderverein „Das Schlößchen“ e.V., um genau diese Missstände zu beheben.

Mit zahlreichen Veranstaltungen versuchte man für die Erhaltung und Belebung des Gebäudes Geld zu sammeln. Es reichte jedoch nicht. Der Verfall des Gebäudes nahm seinen steten Lauf und wieder stand ein Teil des Hauses unter Einsturzgefahr.

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Mittlerweile hatte Bürgermeister Krause jedoch Kontakt geknüpft zu einem neu gegründeten Verein „Generationenhaus Lebensbaum e.V.“. Dieser wollte es wagen, das Schlösschen komplett zu sanieren und als Kindertagesstätte neu zu eröffnen. Die Pläne hierzu stimmten mich sogleich froh, denn demnach sollte mein Schlösschen in altem neuen Glanze erstrahlen! Die örtlichen Vereine und der Gemeinderat stimmten den Plänen ebenfalls zu und so begann mit dem Auszug der letzten Mieter am 01. April 2009 die Generalsanierung.

Außer den Außenmauern wurde JEDES Bauteil erneuert, ertüchtigt oder irgendwie aufgepäppelt. Zeitweise werkelten bis zu 20 Handwerker gleichzeitig auf der Baustelle und mir dröhnte in der Zeit mein Kopf vom Hämmern, Meiseln, Bohren, Sägen, Schrauben usw.! Aber es ging fast unglaublich gut voran! Mit moderner Technik, guter Planung und geschickten Handwerkern gedieh das Projekt beispielhaft, so dass am 04.09.2009 bereits Richtfest und feierliche Turmweihe gefeiert werden konnte. Ich hatte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein dichtes Dach über meinem Kopf und erkor die neu aufgesetzte Turmhaube sogleich zu meinem neuen Lieblingsplatz!

Mit Tempo ging es weiter, so dass sogar 4 Wochen vorzeitig zu Ende September der Bau beendet werden konnte. Nun kamen die Gebäudereiniger und hunderte Einrichtungsgegenstände, denn am 30. Oktober 2009 stieg die große Eröffnungsparty für die neue Tagestätte „für Groß und Klein“. Ich feierte 2 Tage mit über 700 Gästen bis spät in die Nacht und schlief begleitet vom Schlag der neuen, alten Turmglocke glücklich ein.

Am nächsten Morgen weckte mich zum ersten Mal seit Langem endlich wieder fröhliches Kinderlachen: die ersten Kinder und ihre Erzieherinnen nahmen ihren neuen Alltag auf und wuseln seitdem wieder durch mein strahlendes Schlösschen.

 

Hach, was für eine spannende und kurzweilige Zeit doch 450 Jährchen sein können, wenn man so ein Schlösschen sein Eigen nennt!    Euer Conny anno 2017

Quellenverzeichnis:

Wenn ich nun Appetit auf mehr Geschichten geweckt habe, empfehle ich die sehr ausführliche Broschüre

„Ein Schlößchen in Porschendorf“ – zur Geschichte des Rittergutes Schlößchen bei Zschopau, 2010 anlässlich der 450-Jahr-Feier herausgegeben von der AG Ortsgeschichte Schlößchen. Erworben werden kann es direkt im Schlößchen.

Mitgewirkt haben an dieser Schrift Anita Adler, Peter und Christine Baumann, Britta Günther, Manfred und Ingrid Melzer, Eva-Maria Müller, Gudrun Nitsche, Bettina Sagerer und Steffi Hübl.

 

1             http://krumhermersdorf.de/geschichte/k-g1130.htm. (08.09.2017)
2             Günther, B. (2010). Geschichte des herrschaftlichen Gutes in Schlößchen-Porschendorf bis 1945. Ein Schlößchen in Porschendorf, S. 4-5.
3             Vgl. ebenda, S. 6
4             Vgl. ebenda, S. 19
5             Vgl. ebenda, S. 19
6             http://krumhermersdorf.de/geschichte/k-g1130.htm. (08.09.2017)
7             Günther, B. (2010). Geschichte des herrschaftlichen Gutes in Schlößchen-Porschendorf bis 1945.
                Ein Schlößchen in Porschendorf, S. 5
8             Vgl. ebenda, S. 8-9
9             Vgl. ebenda, S. 12
10           Vgl. ebenda, S. 14
11           Vgl. ebenda, S. 14-17
12           Vgl. ebenda, S. 19-20
13           Vgl. ebenda, S. 20
14           Vgl. ebenda, S. 17
15           Müller, E.-M. u.a. (2010). Das Rittergut Schlößchen nach 1945.  
                Ein Schlößchen in Porschendorf, S. 25

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